„die erinnerung an die häftlinge soll weiterleben, aber in anderer form, (…) als natürliches ergebnis des erzählens und besuchens dieses ortes.“
- stanisław zalewski, überlebender des KZ gusen
orientierung und willkommenskultur
der entwurf verzichtet bewusst auf eine rekonstruktion und arbeitet mit dem vorhandenen: spuren verschiedener zeitschichten werden zu einer authentischen erzählung zusammengefasst und in beziehung zur gegenwart gesetzt. das ankunftsgebäude fügt sich entlang der vorhandenen böschung ein, historische strukturen bleiben unberührt; archäologische relikte werden behutsam in die freiraumgestaltung integriert.
die außenwand in sichtbeton mit säge-rauer schalung nimmt bezug auf das memorial am grundstück langenstein II (1961–65), unterscheidet sich aber durch die rötliche färbung des betons und gibt so zu erkennen, dass sie aus unterschiedlichen zeiten stammen.
im empfangsbereich werden besucher*innen auf den rundweg geleitet. über einen in die landschaft gelegten korridor entlang der grundstücksgrenze, werden sie bis zum schotterbrecher geführt – ein weg, der von umgebung und alltag entkoppelt und mit ausblicken und informationen begleitet. in kontrast zum geführten hinweg führt der rückweg vom schotterbrecher über den freien landschaftsraum.
appellplatz: der imaginierte ort
der ort wird als historischer tatort verstanden, dessen bedeutung heute nur noch über spuren, fakten und individuelle imagination erfahrbar ist. die besucher*innen begegnen diesem raum aus wechselnden perspektiven entlang des rundgangs: vom distanzierten blick auf höhe der ehemaligen remise, bis hin zum direkten betreten der offenen fläche. so wird das machtgefüge des ehemaligen bewachungssystems räumlich spürbar.
für gedenkveranstaltungen bietet der appellplatz einen geeigneten rahmen und möglichkeiten für neue formen und rituale des erinnerns. die außenwand des korridors kann dafür temporär als projektionsfläche genutzt werden.
raum der stille: überleben als form des widerstands
westlich des schotterbrechers liegt der „raum der stille“ – eine pavillonartige struktur auf einer waldlichtung, die ruhe ausstrahlt und zur kontemplation einlädt. eine massive betonplatte schwebt auf einer vielzahl filigraner stäbe und bietet elementaren schutz, ohne sich vom umgebenden naturraum abzugrenzen. der ort steht sinnbildlich für die last des erinnerns, getragen von der verantwortung einer gesellschaft in gegenwart und zukunft.
vernetzte erinnerungslandschaft
der entwurf setzt auf zurückhaltung und hohe ausführungsqualität. im zusammenspiel mit künstlerischer intervention und unterschiedlichen vermittlungsebenen entsteht eine vernetzte erinnerungslandschaft, die den ehemaligen lagerkomplex erfahrbar macht. historische spuren und relikte werden freigelegt, gesichert und im bodenbelag markiert; lineare abdrücke wie lagerzaun oder schleppbahn erscheinen als „vergrabene skulpturen“.
semantische verbindung: schattenzonen und blinde flecken
künstlerische eingriffe im bereich des schotterbrechers und in st. georgen machen den verlauf der ehemaligen schleppbahn in form einer „vergrabenen skulptur“ sichtbar. angelehnt an die ursprüngliche dimension des gleisprofils, werden zwei parallele bahnen in schwarzem beton als abstrahiertes raster bündig in die erde eingelegt. Diese oszilliert zwischen sichtbarkeit und verschwinden, erinnern und verdrängen und verweist als eine art narbe in der landschaft auf das nicht mehr vorhandene.
wettbewerb | 1. platz |
jahr | 2025 |
land | AUT |
ort | gusen |
grösse | gebäude: 2.500 m2 freiraum: 40.000 m2 |
auftraggeber*in | burghauptmannschaft österreich |
projektleitung | julia hosner michael voit |
team | johanna sieberer catherine zesch |
projektpartner landschaftsarchitektur | kieran fraser landscape design |
künstlerische interventionen | peter sandbichler |
inhaltliche erzählung ausstellungskonzept | sabine dreher liquid frontiers |
kostenschätzung | L-bau engineering |
haustechnik | TB obkircher |
statik | werkraum ingenieure |
visualisierung | rococoon |